Smart Grid Grafik E-Mobilität

Smart Grid: Wie sich E-Autos im Stromnetz einsetzen lassen

23.05.2022

Wenn mehr Elektroautos auf deutschen Straßen fahren, bedeutet das dann auch eine größere Belastung fürs Stromnetz und mehr Stromausfälle? Im Gegenteil: E-Autos können das Stromnetz in Zukunft unterstützen – die Lösung heißt Smart Grid.

Wenn es um das Thema E-Mobilität geht, fürchten viele die Auswirkungen einer Zunahme von Elektroautos auf deutschen Straßen. Einige vermuten dadurch zunehmende Stromausfälle. Dass es ohne entsprechenden Netzausbau keine Elektromobilität gibt, kann sich eigentlich jeder denken. Doch das BMU bestätigt, allein der Ausbau von erneuerbaren Energien in Deutschland der vergangenen Jahre würde ausreichen, die gesamte deutsche Pkw-Flotte zu elektrifizieren.

Stromnachfrage und Netzauslastung steigen mit zunehmender E-Mobilität nur minimal

Die Rechnung „Viele Elektroautos = viel höherer Strombedarf“ ist falsch. Natürlich wird das Laden von mehr Elektroautos zu bestimmten Zeiten auch zu größeren Spitzenlasten führen, zum Beispiel wenn viele Deutsche abends ihr Fahrzeug zu Hause oder an der nächsten Ladesäule laden oder zu Urlaubszeiten an einer Autobahn–Schnellladestationen. Nach einer Berechnung der Unternehmensberatung McKinsey fällt das Laden von E-Autos allerdings wenig ins Gewicht. Sollten im Jahr 2050 rund 40 Prozent Elektroautos fahren, sollen laut McKinsey-Berechnungen nur rund 6,5 Prozent des gesamten Strombedarfs von E-Autos stammen. Der größte Teil des zusätzlich benötigten Stroms wird bis dahin wohl aus erneuerbaren Energien gewonnen werden.

Um das Ziel der Bundesregierung bis 2050 80 Prozent des deutschen Stroms aus erneuerbaren Energien zu gewinnen, werden effiziente Stromspeicher benötigt. Denn obwohl genug Energie erzeugt wird, geht sie verloren, wenn kein Bedarf besteht. Wer sich an einem windigen Tag über stillstehende Windräder gewundert hat, vermutet wahrscheinlich schon, dass es wohl nicht am mangelnden Wind liegt, wenn sich das Rad nicht dreht. Das System kann die überschüssige Energie nicht abspeichern und wird deshalb abgestellt. Andererseits besteht das gegenteilige Problem an einem trüben oder windstillen Tag, wenn Strom benötigt wird. Ohne effiziente Speicher kann nicht auf den grünen Strom zurückgegriffen werden – genau bei diesem Problem sollen E-Autos Abhilfe schaffen. Die Batterien der Elektroautos können die überschüssige Energie abspeichern und bei Bedarf wieder ins System einspeisen.

Strom aus dem Elektroauto zurück ins Stromnetz

Das funktioniert schon heute durch die Einbindung von E-Autos in intelligente Stromnetze, den sogenannten Smart Grids. Smart Grids kommen zum Einsatz, wo tausende Kleinkraftwerke mit der Energie von Sonne, Wind oder Wasser Strom erzeugen. Durch die intelligenten Stromnetze sollen Stromerzeuger, Stromspeicher und Stromverbraucher so vernetzt und gesteuert werden, dass sie optimal miteinander verbundenen sind sowie die Energieversorgung effizient und zuverlässig sicherstellen. Sind sie über eine Wallbox mit dem Stromnetz verbunden, können viele Elektroautos der neuen Generation nicht nur Strom tanken, sondern ihn aus ihrem Akku auch wieder ins Stromnetz einspeisen. Bidirektionales Laden heißt die Technologie oder auch Vehicle to Grid (V2G), was auch der Netzstabilität dienen kann. Denn der aus erneuerbaren Energien erzeugte Strom kann so zwischengespeichert und Schwankungen im Netz ausgleichen.

E-Autos schneller als Pumpspeicherkraftwerk

So wie schon heute Autos mit Verbrennungsmotor werden auch Elektroautos durchschnittlich mehr als 23 Stunden pro Tag in der Garage oder auf dem Parkplatz stehen und nur 40 Minuten tatsächlich genutzt werden. Digital vernetzt zu einer riesigen Schwarmbatterie und mit dem öffentlichen Stromnetz verbunden, können E-Autos die in ihren Akkus gespeicherte Energie bei Bedarf schneller und effizienter als ein Pumpspeicherkraftwerk wieder ins Netz einspeisen und damit Lastspitzen ausgleichen. E-Autofahrer können bestimmen, wann der Akku zur Weiterfahrt vollgeladen sein muss und wie viel Prozent der Akkukapazität sie maximal für die Netzeinspeisung freigeben möchten.

Netz entlasten und dabei Geld verdienen

Außerdem könnte sich die Unterstützung der E-Autos für die Netzstabilität finanziell lohnen. Ein entsprechendes Bezahlsystem testet der japanische Autokonzern Nissan in Dänemark und Großbritannien. Wer seinen Strom mit Photovoltaik auf dem Hausdach selbst erzeugt oder über die Wallbox bezieht und über sein Elektroauto der Allgemeinheit zur Verfügung stellt, hat dafür einen Anspruch auf Bezahlung. Nissan schätzt, dass sich mit der Netzeinspeisung per E-Auto jährlich durchschnittlich 400 Euro verdienen lässt. Durch das ständige Be- und Entladen im Smart Grid altern auch die Akkus nicht früher, wie Kritiker vermuten. Forscher der britischen University of Warwick fanden heraus, dass eine Batterie mit einer intelligenten Steuerung der Lade- und Entladezyklen sogar bis zu zehn Prozent länger halten kann.

Eigenständige Stromversorgung durch Ihr E-Auto

Wenn Sie eine Photovoltaikanlage auf dem Dach Ihres Einfamilienhauses haben, kennen Sie das: Sie speisen den nicht benötigten Solarstrom ins Netz und müssen Ihn zu einem höheren Preis vom örtlichen Netzbetreiber wieder zurückkaufen. Da wäre es doch praktisch den selbsterzeugten Strom für später zwischenzuspeichern. Die Batterien moderner Elektroautos verfügen über genügend Kapazitäten, um einen Haushalt mehrere Tage mit Strom zu versorgen.

Ein durchschnittliches Elektroauto braucht etwa 2.400 Kilowattstunden Strom pro Jahr, die sich mit einer 18 Quadratmeter großen Photovoltaikanlage leicht erzeugen lassen. Überschüssiger Strom wird im Batteriespeicher eingelagert und an Tagen verwendet, an denen die Sonne einmal nicht so stark scheint. Mit der eigenen Wallbox lässt sich auch Strom vom Energieversorger beziehen oder ins Netz einspeisen. Sollte die Stromnachfrage in Deutschland zukünftig steigen, könnten E-Autos nicht nur die Ursache, sondern auch die Lösung dafür sein.