Lange Lieferzeiten für Elektroautos

Wer hätte das gedacht: Offensichtlich haben einige Hersteller die Nachfrage nach Elektroautos unterschätzt. Für manche Modelle betragen die Lieferzeiten bis zu einem Jahr. Wer den Umweltbonus beantragt hat, für den kann das zum Problem werden.

Es ist schon paradox: Groß ist das Gejammer, dass die Elektromobilität nicht in Schwung kommt. Wer aber ein Elektroauto kaufen will und es sofort fahren möchte, der bekommt keines! Klar, ein Auto ist kein Kochtopf, den der Kunde nach Kauf im Laden gleich mitnehmen kann.

Doch die langen Wartezeiten könnten bei einigen Käufern dazu führen, dass sie nicht mehr in den Genuss des Umweltbonus in Höhe von 7.500 Euro kommen. Spätestens neun Monate nach dem Einreichen des Antrags samt Kaufvertrag beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) muss das Elektroauto zugelassen sein. Bei Lieferschwierigkeiten verlängert das Amt die Frist um drei Monate.

Fördertopf für E-Fahrzeuge noch immer prall gefüllt

Mit insgesamt 1,2 Milliarden Euro füllten Staat und Hersteller den Fördertopf für Elektro- und Hybridfahrzeuge. Seit Start des Umweltbonus am 2. Juli 2016 sind bis Ende August 2020 rund 257.046 Anträge beim BAFA eingegangen. Zum Vergleich: Allein im April 2020 wurden in Deutschland nach Angaben des Kraftfahrtbundesamtes mehr als 120.000 fabrikneue herkömmliche Pkw neu zugelassen. Da das Förderprogramm noch nicht annähernd ausgeschöpft wurde verlängerten Politik und Wirtschaft das Förderprogramm bis Ende 2025 oder bis der Fördertopf ausgeschöpft ist.

Elektroauto über Händler oder im Internet kaufen

Wer heute ein Auto kaufen will, egal ob mit Elektro- oder Verbrennungsmotor, kann das über zwei Wege erledigen. Entweder geht der Interessent in ein Autohaus, das meist auch ein Fahrzeug für eine Probefahrt bereitstellen kann. Dann stellt der Händler mit dem Kunden die Ausstattungsmerkmale zusammen: Welcher Motor wird gewünscht, welche Lackfarbe und Felgen, welches Interieur und Spezialzubehör? Sind Details und Finanzierung geklärt, unterschreibt der Kunde den Kaufvertrag und der Händler bestellt das Fahrzeug.

Der zweite Weg zum eigenen Auto führt übers Internet: Auf den Webseiten der Fahrzeughersteller kann jeder Kunde eine Probefahrt vereinbaren und sein zukünftiges Gefährt mithilfe eines Konfigurators selbst zusammenstellen, sprich die passende Ausstattung wählen. Sind alle Menüs durchgeklickt, spuckt der Konfigurator den Preis plus Überführungskosten aus und leitet die Anfrage zum nächsten Händler weiter. Der wickelt dann Kauf und Auslieferung ab.

Nur vage Lieferzusagen

Die Lieferzeit für einen herkömmlichen Pkw mit Verbrennungsmotor beträgt in der Regel sechs bis acht Wochen, bei wenig nachgefragten Modellen manchmal auch wenige Tage. Die Hersteller geben in den Kaufverträgen nur vage Lieferzusagen an, aber keine festen Termine. Das Wort „Lieferzeit“ ist für Autohersteller anscheinend wie ein Reizwort: Wer im Internet auf deren Homepages danach sucht, erhält meist null Treffer. Nur durch direkte Anfragen bei den Fahrzeugproduzenten lässt sich erfahren, wann nach der Bestellung das Elektro-Traumauto tatsächlich vor der Haustür steht.

Der Schnellste: Nissan Leaf erhältlich in 6 bis 8 Wochen

Der Nissan Leaf ist das weltweit meistverkaufte Elektroauto – trotzdem wurde der japanische Automobilhersteller vom Erfolg des Nachfolgemodells überrascht. „Bereits vor Einführung der zweiten Generation des Leaf bekamen wir so viele Bestellungen, dass die Lieferbücher nur nach und nach abgearbeitet werden können“, weiß Alexander Sellei von Nissan Deutschland. Inzwischen hat der Hersteller aber aufgeholt.

  • Im Schnitt müssen Kunden bis zu 2 Monate auf den neuen Nissan Leaf warten.
  • Langsamer geht es mit der Lieferung des Elektro-Kleinbus Nissan e-NV200, der fünf Monate nach Bestellung übergeben wird. „Wir arbeiten daran, die Lieferzeiten auch für unsere Elektroautos in Zukunft auf ein normales Niveau zu drücken“, so Alexander Sellei.

Tesla Modelle S, X und 3

Auch der US-amerikanische Hersteller Tesla freut sich über volle Auftragsbücher. Was Segen und Fluch sein kann: Gut, wenn das Geschäft brummt! Schlecht, wenn dann die Produktion stockt – was bei Tesla öfter der Fall ist.

  • Die kürzeste Lieferzeit auf dem deutschen Markt verspricht derzeit Tesla für seine Modelle S, X oder 3 mit rund 3 Monaten.
  • Den Sportwagen Tesla Roadster können Interessenten bisher nur reservieren. Die Auslieferung soll nun doch erst 2022 beginnen. Grund dafür sind Weiterentwicklungen am Fahrzeug und die Produktion neuer Fahrzeug wie den Cybertruck.

Zwölf Wochen Lieferzeit für E-Autos von BMW und Renault

  • „Wir können unsere Elektroautos innerhalb von zwölf Wochen liefern“, berichtet Wieland Bruch, Sprecher für Elektromobilität des bayerischen Autobauers.
  • Ebenfalls nur drei Monate beträgt die Lieferzeit für den Renault Zoe, zusammen mit dem VW E-Golf Deutschlands meistverkauftes Elektrofahrzeug 2020. Auf den kleinen Bruder Renault Twizy müssen Käufer dagegen rund acht Monate warten, bis sie damit erste Runden drehen können. Der Renault Kangoo Z.E. ist bei Familien ebenso beliebt wie bei Kurierdiensten und Handwerkern: Vier Monate dauert es, bis die Lieferung erfolgt.

16 Wochen warten auf Citroëns E-Spaßmobil

  • Beim Citroën e-Méhari kann der Fahrspaß im offenen Freizeitauto mit Plastikkarosserie fünf Monate nach Order beginnen.
  • Käufer des Kleinwagens Citroën C-Zero, der baugleich mit dem Peugeot iOn ist, müssen dagegen mit bis zu sieben Monaten Wartezeit rechnen.

Lieferzeiten von Volkswagen, Smart und Jaguar

  • Auch Volkswagen hatte die Lust auf Elektroautos unterschätzt und mehrmals mit Kapazitätsanpassungen reagiert. Für die vollelektrische Version liegen aktuell mehr als 20.000 Bestellungen vor (Stand Mai 2020). Damit sind die Kapazitäten und die Jahresproduktion bereits ausgeschöpft. Auf den e-up! warten E-Fahrer nun bis zu 12 Monate. Die Wartezeit für den e-Golf beträgt sechs bis neun Monate.
  • Im Jahr 2018 war Smart mit den Smart EQ fortwo und forfour die Marke mit den meisten Neuzulassungen rein batterieelektrischer Pkw in Deutschland. Wer heute einen Elektro-Smart bestellt, muss aktuell mit einer Lieferzeit von etwa acht bis 12 Wochen rechnen.
  • Für den Komfort-Geländewagen Jaguar i-Pace müssen Käufer sechs Monate Wartezeit einplanen.

Ein Jahr: Hyundai und Kia lassen auf sich warten

  • Schon bisher betrug die Lieferzeit für den Hyundai Ioniq Elektro zwölf Monate. Wer das neueste Modell Kona Elektro erwirbt, kann erst Ende 2020 endlich damit fahren.
  • Der Kia Niro EV rollt inzwischen schneller vor die Haustür des neuen Besitzers. Die Lieferzeit beträgt sieben Monate. Auf den e-Soul des südkoreanischen Autoherstellers muss man ab der Bestellung weiterhin ein Jahr warten.

Wenn’s schnell gehen muss: Gebrauchtwagen kaufen

Wer ganz schnell ein Elektroauto besitzen möchte, der sollte sich auf dem Gebrauchtwagenmarkt umsehen. Bei Mobile.de stehen deutschlandweit mehr als 18.531 Elektro-Pkw aus zweiter Hand zum Verkauf, bei Autoscout24.de rund 14.366 E-Fahrzeuge (Stand: Ende November 2020). Also: Auswählen, ansehen, kaufen und losfahren.

Aktueller Hinweis

Besonders im Betracht der aktuellen Situation um den Covid-19- Virus, sollten die genannten Lieferzeiten der Hersteller nicht als verbindlich angesehen werden. Der Ausbruch des Virus und den damit einhergehenden Maßnahmen zur Eindämmung der Reproduktionszahl zwangen die Autohersteller die Produktion in den Werken zu stoppen, wodurch es nun zu Lieferverzögerungen kommen kann.